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DER TSCHECHISCHER KÜNSTLER
TAVIK FRANTIŠEK
ŠIMON
(1877-1942)
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Tavik František Šimon
ist ohne Zweifel
einer der größten tschechischen Maler und Graphiker und ein Künstler
von Weltrang. Durch ungünstige Umstände (die beiden Weltkriege, die
Kommunistische Diktatur in seinem Vaterland) verblasste die
öffentliche Erinnerung an ihn, aber seit der "Wende" von 1989 nimmt
seine Bekanntheit und die Schätzung seines Künstlertums wieder zu.
Wichtige Werke von ihm befinden sich in der tschechischen
Nationalgalerie in Prag.
T. F. Šimon wurde am 13. Mai 1877 in
Eisenstadtel bei Gitschin
(Zeleznice bei Jicin) geboren (im Norden des damals habsburgischen
Kronlandes Böhmen); am 19. Dezember 1942 ist Šimon in Prag
gestorben.
Von 1894 bis 1900 studierte Šimon bei
Max Pirner
an der Prager Kunstakademie. Es folgten Studienaufenthalte in
Dalmatien und Italien (1902).
Von 1904 bis 1914 lebte Šimon in Paris, danach bis zu seinem Tod in
Prag, er reiste aber viel (unter anderem war er in England,
Holland, Spanien und Nordafrika). - Im Jahr 1926 unternahm er eine
Weltreise via U.S.A, Panama, Hawaii, Japan, Ceylon.
Seit 1928 war Šimon Professor an der Prager
Kunstakademie und Mitglied der Tschechischen Akademie der
Wissenschaften und Künste. Er war damals vor allem berühmt durch
seine (arkadisch idealisierenden) Landschaftsbilder, durch seine
Stadtansichten und das häufig wiederkehrende Bild-Motiv "Strand".
Seine Bilder von jungen Frauen gelten als unübertroffen.
T. F. Šimon war auch ein Graphiker von internationalem Rang. Von
seiner Hand stammen rund 650 großartige Graphiken. Er war Mitgründer
des Graphischen Vereins "Hollar", benannt nach dem bedeutenden
böhmischen Zeichner und Kupferstecher Wenzel (Václav) Hollar (1607 -
1677). Er verfasste zahlreiche Aufsätze über Themen der graphische
Kunst im weitesten Sinn, unter anderem auch ein Grafik-Handbuch.
Seine Globetrotter-Erfahrungen notierte er in einem Buch über seine
Weltreise.
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T.F.
Šimon wurde für seine Verdienste um die
tschechoslowakisch-französischen Kunstbeziehungen mit dem Ritterorden
der französichen Ehrenlegion (Légion d`honneur) ausgezeichnet.
(Notiz aus einer Prager Zeitung)
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T.F. Šimon, zwei Selbstporträt;
Tinte auf Papier, 112 x 172 mm, ca. 1910
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T.F. Šimon: "Der Leser";
80x116 mm, Holzschnitt |
Lit.:
Vollmer
Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler Zwanzigsten Jahrhundert, 536.-
Thieme Becker, Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike
bis zur Gegenwart, 31 (1937). - The Connoisseur 66 (1923) 52f. und
108 (1941) 156 - Hollar (Prag), IV 173 und 13 (1937) 49/95f., mit
Abbildungen. - J.Pegina, Ceski moderni graf., Prag 1940. - Dr.
Prokop Toman, Novy Slovnik Ceskoslovenských
Výtvarných Umelcu II, 536 (Výtvarné Centrum Chagall, Ostrava, 1993).-
The Studio, 40 (1907) 331 (farb. Taf.), 333; 92 (1926) 32 f., 175 f. - Die
Graph. Künste, 30 (1907) 116 f., 120; 34 (1911) 93/102.- A. Michel,
Histoire de l`Art, 8 (1925/26) 743.- A. Novák, T.F.S., Painter Etcher,
Cleveland U.S.A. 1926.- vgl. Mitt. d. Gesellschaft für vervielf. Künste,
1928 p. 34f. - A. Matejcek, T.F.Šimon. (Galerie III), Prag 1934.
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Vom 31. Mai bis 3. Juli 1994
wurden im Kinsky-Palast am Altstädter Ring in Prag Arbeiten T. F. Šimons
gezeigt. Die Ausstellung wurde vorbereitet von der Nationalgalerie .
Ausgestellt waren 45 Zeichnungen, 167 Grafiken und 25 Ölgemälde.
Vorbereitet hatte diese Retrospektive Eva Buzgová, eine Tochter des
Malers Jan Rambousek. Sie schrieb auch die tschechischsprachigen Texte
des Katalogbandes (Malír a gafik T.F. Šimon 1877-1942 výber z díla; 44
S., 14 Abb.; ISBN 80-7035-068-7).
Das deutsche Resümee
stammt von Lenka Reinerová. Daraus zitieren wir im Folgenden:
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T.F.ŠIMON:
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Der Maler, Grafiker, Autor und Pädagoge T.
F.
Šimon (1877 - 1942) erhielt seine künstlerische
Ausbildung an der Prager Akademie der Bildenden Künste und
im Atelier von Maxmilian Pirner (1854-1924). Pirner, ein
philosophisch interessierter Lehrer, schuf für die
individuelle Entfaltung seines jungen Adepten günstige
Bedingungen. Pirners romantisierende, allegorisierende
Bildkompositionen beeinflussten Šimon.
Die Bevölkerungszahl
der Hauptstadt des Königreichs Böhmen wuchs damals schnell
durch einen Zustrom von Menschen aus den ländlichen
Regionen Böhmens. An der Wende zum 20. Jahrhundert lebte in
Prag fast eine halbe Million Menschen. Über dreißigtausend
von ihnen bekannten sich zur deutschen Sprache.
Tschechische Institutionen waren häufig finanziell
ungenügend ausgestattet, Institutionen der
deutschsprachigen Bevölkerung waren oft besser dotiert,
ihnen fehlte aber häufig eine breitere Mitgliederbasis.
Im Herbst des Jahres 1894,
als
Šimon sein Studium an der Akademie begann, - stellte der
"Salon Topic" an der damaligen Ferdinand- (heute
National-)Straße erstmals aus am Moldauufer. Unter dem Dach
des Kunsthauses "Rudolfinum" wurden Arbeiten
zeitgenössischer Künstler seit der Mitte der achtziger Jahre
ausgestellt. Junge Künstler wünschten, dass aktuelle Kunst
auch aus anderen Ländern in Böhmen gezeigt würde. Dafür gab
es aber damals in Böhmen nur wenige Gelegenheiten.
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"Erinnerung an
Dalmatien" (Ausschnitt), 1900
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Zahlreiche Künstler fuhren daher nach München, Wien,
Rom, Dresden, Venedig und vor allem nach Paris, um
Kenntnisse zu sammeln. -
T. F.
Šimon gewann zweimal
hintereinander ein Stipendium; das erste ermöglichte ihm
im Jahr 1902 eine Reise nach Italien, das zweite einen
Aufenthalt in Frankreich, England, Belgien und
Holland. Zuvor war
Šimon bereits in Dalmatien gewesen.
In Paris fühlte sich
Šimon vor allem von
impressionistischen Malern angesprochen, deren Ära hier
allmählich ausklang; in London bewunderte
Šimon Bilder
der Präraffaeliten, W. Turners und J. Constables. -
Seine "Pilgerfahrt" durch europäische Großstädte ließ
Šimon im Fischerdorf Onival ausklingen; dorthin kehrte
er auch später oft zurück.
Die rauhen Wellen des Atlantik, die unabsehbaren Strände
mit ihren weißen Klippen wurden bei ihm gewissermaßen
ein Wörterbuch von Allegorien und Symbolen.
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Im
Frühjahr 1904 verließ der unternehmungslustige junge
Künstler Prag, wo er bereits ausgestellt hatte und Mitglied
des jungen, bahnbrechenden Vereins bildender Künstler
"Manes" war, und begab sich nach Paris. Diese Stadt zog
zahlreiche tschechische Künstler an, man denke nur an
die Maler A. Mucha, F. Kupka, L. Marold oder an die
Bildhauer J. Maratka, B. Kafka und O. Gutfreund. Mit
wenig Geld lebte er bescheiden in der Lichterstadt Paris
und fühlte sich hier rasch wohl. Für volle zehn Jahre
wurde Paris seine zweite Heimat.
Großes Interesse weckten hier seine Grafiken.
Šimon
hatte einen unvoreingenommen Sinn für die städtische
Agglomeration und ihren Genius loci. Was ein geborener
Pariser infolge täglichen Kontakts leicht übersehen
konnte, erfasste
Šimon in Bildern, Zeichnungen und in
ganzen Serien grafischer Blätter. Seine französischen
Kollegen nannten diese Arbeiten ,,Paysages de Paris";
sie fanden eine hohe Resonanz. Quais, Marktplätze,
Boulevards, Parks, Fassaden, Interieurs von Kirchen,
stille Winkel, Straßen und Sträßchen, Trödlerläden und
Bouquinistenstände, all dies hielt
Šimon fest, sachlich
und in unaufdringlicher Farbenharmonie. Er hauchte dem
historisch geworden Genre der Vedute neues Leben ein.
Die Radierung, der Holzschnitt und vor allem Aquatinta,
in Kombination mit weichem Grund (vernis mou) und
Kaltnadel-Radierung wurden zu seinen bevorzugten
Ausdrucksmitteln. Šimon erkannte, dass ein vom Autor
unterzeichnetes grafisches Blatt einer Anzahl Sammler
zugänglich ist, freilich auch zugleich ein Wertpapier
mit wechselndem Kurs.
Die
selben Motiven wie für seine Grafiken verwendete er auch
für seine Ölgemälde, viele davon sind künstlerisch hoch
einzuschätzen.
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"Bouquinistes"
(Ausschnitt), Paris. 1911
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"Bouquinistes"
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Seit dem
Jahr 1905 stellte der Künstler seine Arbeiten im Salon d`Automne
und im Salon des Beaux-Arts
aus, er war
Mitglied der Société de la Gravure en couleurs in Paris,
der Royal Society of Painters, Etchers and Engravers in
London; für seine Publizität sorgten A. Roullier in
Chicago, F. Keppel in New York und insbesondere G. Petit
in Paris.
Aus Einzelheiten der Komposition, dem Rhythmus der
Linien, aus der Achse der Zeichnung, aus der
Korrespondenz von Flächen, Formen und Farben erkennen
wir des Künstlers Streben nach Harmonie der
künstlerischen Mitteilung.
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"Prag" |
Im Jahre
1914, als
Šimon mit seiner Familie gerade Ferien in
Böhmen machte, begann der Erste Weltkrieg.
Šimon konnte
nicht nach Paris zurückkehren. Der immer wieder
erwartete Friedensschluss kam und kam nicht. Von
Existenzsorgen bedrängt, dachte
Šimon daran, in Prag
einen Förderverein für tschechischer Künstler zu
gründen. So entstand im Jahre 1917 der Verein "Hollar",
Šimon war dessen erster Vorsitzender.
Der Verein bemühte sich um Ausstellungen
und Editionen für die Arbeiten seiner Mitglieder. Das
Ziel der Gruppe war es, die zeitgenössische tschechische
Graphik im Land und international bekannt zu machen,
insbesondere nach der Errichtung der ersten
Tschechoslowakischen Republik.
Nach dem Krieg knüpfte
Šimon die durch den Krieg
unterbrochenen Kontakte zu Verlegern und Galeristen die
seine Werke publizierten beziehungsweise verkauften. Er
reiste regelmäßig nach Paris, wollte aber jetzt nicht
mehr von Prag fortziehen. Er bekam mehr als genug
Aufträge, die Vertragsbedingungen waren für ihn oft
günstiger als in den vorangegangenen Jahren.
Šimons Sehnsucht nach starken Eindrücken, der Wunsch
nach einer großen Reise zu Schiff über die Meere, der
Wunsch, Europa mit Amerika zu vergleichen und alte
Kulturen des Orients kennenzulernen, mündeten in eine
Weltreise. Šimon trat sie im August 1926 an. Er nahm
alles Notwendige mit, um zeichnen, malen und schreiben
zu können.
In Briefen an Freunde und Familie schildert er
Erlebnisse und Gedanken, zunächst; es folgte dann sein
von ihm selbst illustriertes Buch ,,Blätter von einer
Reise um die Welt". Das Buch erschien im Jahre 1928, in
welchem Jahr
Šimon auch zum Professor der Kunstakademie
in Prag ernannt wurde und das graphische Atelier seines
Vorgängers M.
Švabinský übernahm.
Lehrtätigkeit war das letzte bedeutsame
Kapitel im Leben des Künstlers. Seine Schüler waren
verschiedenen Alters und Nationalität, verschiedener
künstlerischer Techniken und Themen.
Šimon verstand es,
die Intentionen eines jeden seiner Schüler zu begreifen
und zu würdigen. Er war überzeugt davon, dass Talent nur
durch Übung und Fleiß entfaltet werden
kann. Experimenten misstraute er, er gab dem Studium der
"Natur" den Vorrang vor theoretischen Erwägungen. Er
machte seine Studenten mit Meistern der Graphik bekannt,
mit Dürer, Rembrandt, Hollar, Piranesi, Goya. Er wies
sie auf Künstler hin, die sein eigenes Schaffen
beeinflusst hatten: Brangwyn, Whistler, Lautrec, Lepère,
Meyron und Segonzac.
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T.F.
Šimon: "Vilma pflückt
Syringen", Ausschnitt
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In
Šimons
Atelier arbeiteten insgesamt über fünfzig Studenten,
freilich beendete kaum die Hälfte davon dieses Studium.
Bemerkenswerte Schüler waren Koloman Sokol, Adolf Wenig,
Sabina Vozová, Mario Stretti, Ludmila
Jirincova-Schlöglová, Milada Kazdová und Vladimír Pukl.
Der Okkupation des tschechoslowakischen Staates durch
das Deutsche Reich, die Ausrufung eines "Protektorats
Böhmen und Mähren", der Beginn des Zweiten Weltkriegs
und die gewaltsame Schließung der tschechischen
Hochschulen am 17. November 1939, all dies lastete
schwer auf dem 65 jährigen Künstler, der fühlte, dass
seine Kräfte schwanden. Gegen Ende der dreißiger Jahre
nahm seine künstlerische Produktivität ab. Die bisher
meist farbigen Blätter wichen monochromen
Radierungen. Das war kein Zufall, die Welt wurde
zumindest für
Šimon, aber auch für viele seiner
tschechischen Zeitgenossen, schwarz-weiss.
T.
F.
Šimon starb am 19. Dezember 1942 in seinem Haus nach
Iängeren Krankheit 1942, an Herzversagen.
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Šimons Schaffen brachte ihm
internationale Resonanz, zahlreiche Sammler seiner Arbeiten und einen
bedeutsamen Platz in der Generation tschechischer Künstler, die an der
Wende zum 20. Jahrhundert ins kulturelle Geschehen ihres
Landes eintraten und klassische Techniken der Vergangenheit
künstlerischen Bedürfnissen des Jahrhunderts anpassten.
(Redigierung des
deutschen Textes: Veit Feger).
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PRAGER PRESSE 6. JANUAR 1938
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1937: T.F.
Šimon 60 Jahre: von links die Künstler Jaromir Zamponi-Stretti?, Victor Stretti,
T.F. Šimon , Arthur Novak, ? .
Im Hintergrund das Bild "Entführung der Europa".
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Das Buch "Prag
1900-2000 - Hundert Jahre einer hunderttürmigen Stadt"
(351 Seiten, 1999, Verlag 'Gallery') wird eröffnet mit einem
Vernis Mou von T.F.
Šimon aus dem Jahr 1919.
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T.F.
Šimon:
"Ein Mädchen von Ceylon".
Tusche auf Papier, 15x10 cm; ca 1928

De Maler T.F. Simon (by the artist Silovsky)
www.tfsimon.com
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